Archiv für die Autorin: Steinmädchen

Pathologisieren? NOT! Ein Paradestück in 5 Akten.

Worte zur Begrüßung.
Eigentlich bin ich bei Kommentaren relativ erbarmungslos. Das ist der Vorteil dieses Internets: Ich kann blöde Menschen einfach blocken und ihren Schmarn löschen. (Gut, manchmal würde einfach mal zutreten mehr Spaß machen, aber ich nehme was ich kriegen kann.) Aber diesen Kommentar von Lothar möchte ich euch nicht vorenthalten, gerade weil der erste Satz schon reicht. Er zeigt einfach beispielhaft, was an der Pathologisierung von Frauen problematisch ist und führt genau vor, wie das funktioniert. Außerdem macht er genau das, was ich befürchtet hatte: Das Menschen mich in diesem Internet künftig über eine Diagnose definieren, die ich selbst kritisiere. Weiterlesen

Performative Krisenbewältigung

Was tun, wenn die Psyche mal wieder Achterbahn fährt und mir von den Loopings kotzübel wird? Ich bin damit immer noch völlig überfordert. Als Jugendliche habe ich gelernt Aggressionen gegen andere sind böse. Und als Kind habe ich schon gelernt, dass ich nichts wert bin. Jap, Schule ist scheiße. Einself.
Also was tun, wenn es mit scheiße geht, wieder alles zu viel war und ich nicht weiter weiß? (Also außer den Klugscheißerinnenmodus für mich zu aktivieren und zu erklären, warum Patriarchat und Leben eh daneben und nicht zu reparieren ist.)
Irgendwann habe ich mal diese blöden Sprüche wie „Du musst dich erst selbst lieben“ (bitte dazu eine quäkige, hohe Stimme vorstellen) ignoriert und es andersrum versucht: „Hey, ich hab ne Verantwortung für mein Leben. Muss ich mich wohl auch drum kümmern. Muss es ja nicht gern tun.“
Darin bin ich ziemlich professionell geworden. Geübt. Und manchmal tu ich es sogar gern.
In der Regel sieht es aber etwas…ungelenkaus.

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Faktencheck? Arschlochtag mit Kachelmann

Gestern war ein Arschlochtag. Gestern ging es nach Frankfurt, um den aktuellen Kachelmann Prozess kritisch zu begleitet. Ich bin dem Aufruf der Intiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt : „Die ,Opferindustrie’ bittet zum Faktencheck“. Ich habe mich auf vieles eingestellt. Aber wohl nicht auf diesen Presserummel. Wir waren etwa Frauen* die schon vor dem Gebäude protestierten. „1xFaktencheck“ bitte. Ich kannte die Initiative bisher nur aus dem Internet und wollte eigentlich vor allem beobachten. Daraus wurde nichts. Weiterlesen

Die Mädchenmannschaft, meine ersten Schritte im Netzfeminismus und ein Plädoyer für mehr Parteilichkeit

Ich bin noch nicht lange im Netzfeminismus unterwegs. Klar, Mädchenmannschaft habe ich schon vorher gelesen. Und meinen Blog betreibe ich seit 2007. Es war mehr eine persönliche Geschichte. Gedichte und Prosa die ich geschrieben habe, um anderen Menschen zu zeigen, was mich beschäftigt. Literatur zu veröffentlichen.
Weniger direkt politisch.
Vor wenigen Monaten fingen durch eine Verlinkung auf der Mädchenmannschaft Menschen an meinen Blog zu lesen. Weiterlesen

Kooontext, wo bist du? Die „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ im Diagnosespaß Teil II

Dieser Teil wird etwas theoretischer. Teil 1 mit meinem persönlichen Start findet ihr hier.
An der Borderline-Diagnose gibt es so viel zu kritisieren, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Vielleicht vorweg: NEIN, wir sind nicht alle „ein bisschen Borderline“. Die Diagnose ist problematisch, das Erleben dahinter jedoch sehr real. Und NEIN, das kenne nicht alle „auch ein bisschen“. Weil „Borderline“ nicht für „ein bisschen“ steht sondern für Extrem. In allen Bereichen. (Warum Extrem auch ganz gut ist, erklärte ich hier). Hinter allen Konstruktionen stecken auch reale Erfahrungen. Und bei einer Kritik an Diagnosen ist es wichtig, diese Erfahrungen eben nicht zu relativieren, Be-hinderungen (meist durch Erwartungen der Gesellschaft) sichtbar zu machen und zu respektieren, wenn Betroffene das Berufen auf die Diagnose als Hilfsmittel in Anspruch nehmen.
Mir fällt es sehr schwer die Gratwanderung zu schaffen, die sich zwischen einer oft pauschal antipsychiatrisch geprägten Linken und einer total unpolitischen Ansammlung von vereinzelten Betroffenen bewegt. Weil ich beiden Seiten gerne eine Menge entgegenschleudern würde. Weil alternative Strukturen fehlen um mit Schmerz, Panik, Depression und dem Emotionschaos umzugehen. Weiterlesen

Glitzerkleber und Lebenspläne

Einfach weil neulich neu gekauft. Und weil ich am liebsten alles damit bemalen würde. Und weil das bestimmt toll glitzert in einem der nächsten Filme. Einfach weil Glitzer.
Da ich festgestellt habe, dass ich die ganzen Auseinandersetzungen mit Kackscheiße doch recht anstrengend finde und die Raumfahrt noch nicht erfunden ist und das innerliche Wegbeamen häufige Nebenwirkungen verursacht dachte ich, ich brauche neue Pläne.
Nach meinen neuen Plänen beschäftige ich mich nur noch mit Kekse backen, Nailartseminaren und zum Aufregen mit den kurzen Grünphasen bei Ampeln. Hab ich mir so überlegt.
Und dann kam mir der Glitzerkleber dazwischen. Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Außer, dass Glitzer immer gut ist.
Oder ich versuche es doch mit Kekse backen. Leider verbrennen mir die immer.
Verbleiben die Nailartseminare (irgendwie kann ich das gar nicht tippen) und Grünphasen bei Ampeln. Ob das mit Glitzer kombinierbar ist?
Ja, ich glaube das geht.
Ich entscheide: Alles ist gut.
Dank Glitzerkleber.

Am guten Geschmack vorbei – ZDF & Fans

Ich tu mir schwer zu dem Thema was zu schreiben. Weil ich denke das ist alles schon so über… Tausendmal gehört, so oft diskutiert und gestritten und kein Lernerfolg. Und ich seh mich als Feministin ohne Lehrauftrag. Kein Bock drauf. Also gibts auch hier mehr ein Auskotzen. Damits nicht in meinem Kopf bleibt. Weiterlesen

Diagnosespaß Teil 1: „Das ist ja nicht so schlimm“

Bei dem Thema weiß ich gar nicht wo ich anfangen soll. Gesellschaftskritik, persönliche Erfahrungen und Absurditäten gehen wieder Hand in Hand. Es sprengt einen Blogartikel total also verzeiht das viele anreißen. Ich habe viele verschiedene Diagnosen bekommen, mit manchen konnte ich umgehen (wenn ich dachte es ist stimmig) oder ich wurde wütend oder war verletzt, angegriffen. Ich glaube eine meiner ersten Konfrontationen damit war bei meiner zweiten Therapie. Ich hatte die ganze Zeit schon das Gefühl, dass dieser Typ mich nicht ernst nahm, dachte, ich hätte keine ernsthaften Probleme. Er sagte ich müsste ja nur mal ein bisschen Kontrolle abgeben. (Was zu verbissenen Kämpfen führte weil ich mich weigerte einen bescheuerten Stein geben die Wand zu werfen, aber egal.) Er wollte meine Selbstverletzungen sehen. Dabei war mit unwohl, aber wusste auch nicht so recht wie nein sagen. Unsicher zog ich meinen Ärmel hoch. Er griff nach meinem Arm. fuhr mit dem Finger über die Narben, lehnte sich dann zurück und meinte: „Das ist ja nicht so schlimm.“
Das saß.
Ich war schockiert und überfordert und habe mich bloßgestellt gefühlt. Es war als hätte ich mich ausgezogen und wäre gemustert worden um dann festzustellen: Unwichtig. Wertlos. Bloß vor allem.
Es war als würde mir die Legitimität meines Schmerzes abgesprochen. Dabei zeigt sich der doch nicht in Wunden auf der Haut! Die können doch eh niemals so tief sein wie sie sein müssten um den Schmerz zu zeigen.
Trotzdem war es auch Sprache für mich. Mit mir selbst sprechen können. Überhaupt eine Kommunikation finden. Da ich keine Sprache fand, habe ich irgendwann meinen Schmerz versucht auf meine Haut zu schreiben. Etwas sehr persönliches, was damals einfach nur sehr wenige Menschen zu sehen bekommen haben. Etwas an meinem Körper, an meinem Leben, was ich entschieden habe.
Und dann kommt dieser Mensch und sagt: Ist ja nicht so schlimm. Während ich ständig panisch fragte ob er mich ernst nehmen würde. Auch heute habe ich zugegeben noch ein Problem damit, meine Gefühle auszudrücken, ich kann über vieles sehr sachlich erzählen, aber selten die dazu passenden Emotionen zeigen und Gesichtsausdrücke finden. Ein Lächeln erscheint mir einfacher. Aber ich sagte ihm doch, wie es in mir aussieht. Bat darum, ernstgenommen zu werden. Zeigte sogar meine Narben obwohl sich das wie Nacktsein anfühlte.
Auf der Rechnung stand dann: „Pubertätskrise“.

Das war meine erste Diagnose. Irgendwann ignorierte ich die Einschätzung dieses Menschen weil es mir immer schlechter ging. Und mein Psychiater suchte mir eine Klinik raus. Ich rief an und wurde immer weitergeleitet, bekam einen Fragebogen. Bekam ein Vorstellungsgespräch. Bewerbung und Vorstellungsgespräch. Überprüfen, ob ich auch alle Kriterien erfülle um dem Club beitreten zu dürfen. Ich informierte mich. Ich wurde genommen.
Und mit der Aufnahme ins DBT Programm (eine störungsspezifische Therapie, Dialektisch-Behaviorale Therapie) stand dann auch die Diagnose im Raum: Borderline-Persönlichkeitsstörung. Damals war ich erleichtert. Ich war erleichtert, weil ich mich endlich in meinem Schmerz ernstgenommen gefühlt habe. Und ich habe es gehasst wenn Menschen mich so abschätzig anschauten und meinten: DU sollst Borderline haben? Du machst doch nicht…/ hast doch nicht… was auch immer. Gab ja schon da ein tolles Bild in den Medien. Borderlinerinnen haben ständig Sex und Wutausbrüche und sind total manipulativ. Yeah.
Für mich passte das Gefühlserleben.
Und die Zweifel kamen ja auch nicht aus einer Kritik an gesellschaftlichen Verhältnissen, an patriarchaler Kontrolle oder Zuschreibungen. Sondern die Zweifel bezogen sich darauf, dass ich ja „so krank nun auch nicht wäre“.
Deswegen tu ich mir auch heute noch schwer eine Kritik an der Diagnose zu formulieren. Weil ich nicht will, dass mir mein Gefühlserleben aberkannt wird und ich in dieser Klinik und in dieser Therapie zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass ich wirklich ernstgenommen werde.
Gerade wird es auch viel im Kopf, ich versuch nächstes Mal dann mal weiter zu machen mit der Kritik an meiner „Persönlichkeitsstörung“.
(Hier findet ihr Teil II: Kooontext, wo bist du? Die „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ im Diagnosespaß Teil II )

fremdkörper

wenn ich mir vor augen führe
-geführt kriege-
wer wann wie viel
über körper von frauen* bestimmt
reproduktion
sexualität
wann wer mit wem
diäten
medikamente
selbst kleidung
-ganz im alltag festgeschrieben-

dann möchte ich schreien
mir wird schlecht
wenn frauenkörper
-frauen*leben-
vereinnahmt werden
mit gewalt
hineingezwungen wird

ich möchte schreien
geht weg!
meins! meins! meins
nein!
und
stop!
ganz laut
wieder und wieder
damit ich diesmal
damit ich heute
-endlich-
gehört werde

aber niemand hört dieses
NEIN.
dabei ist es doch
so laut

und ich fühle mich weiter
hilflos

ohn-mächtig

es zerreißt mich
weil ich wieder
und wieder
und wieder
erinnert werde

das mein körper
mir nicht gehörte

-nicht gehört-