wenn die welt kopf steht

ich versuche wieder zu schreiben. worte zu finden für die mir unbegreifliche welt in der ich jetzt lebe. worte für die irritationen und die schmerzen, die diese welt auslöst – gerade weil sie so schön ist.
diese völlige irritation, wenn mich menschen plötzlich mögen. einfach so. da stehe ich vor wie so ein auto und kapiers nicht. ich versuche mir logisch herzuleiten, dass ich ja auch humor habe, über vieles nachdenke und sowas. aber all das löscht die irritation nicht aus.
ich habe vor längerer zeit mal über “mobbing” und selbsthass geschrieben. eigentlich könnte ich den text so rebloggen. immer noch mag ich das wort nicht, immer noch finde ich keine worte, immer noch hat das erlebte folgen. es ist aber ruhiger geworden in meinem kopf. die stimmen schreien nicht mehr so laut.
manchmal, wenn es besonders schön war, dann explodiert aber dennoch etwas in meinem kopf und dann ist da ganz viel hass und zerstörungswut gegen mich selbst – nur um die welt wieder gerade zu rücken. nur um wieder zu wissen, wie die welt funktioniert. nur um mir wieder den platz zuzuweisen, an den ich gehöre.
manchmal ist das mit den wundertollen sozialen moment immer noch so: mein gehirn schaltet auf: kann ich nicht verarbeiten. inzwischen bedeutet dass, dass ich einfach ohne zu verarbeiten die zeit genieße. und danach, wenn ich wieder alleine bin, versuche mich irgendwie zusammenzuhalten. versuche nicht hinzuhören, wenn in meinem kopf mich stimmen anschreien und mir sagen, dass ich wertlos, schmutzig und dreckig bin. dass niemand mit mir zu tun haben will. dass es besser ist, nichts mit mir zu tun zu haben.
„man sucht immer nach der rolle die man kennt“ schrieb mir heute eine person. das trifft es ziemlich gut. manchmal will ich zurück, zurück in diese vertraute welt, in die welt von hass und ablehnung – aber unsicherheit? nein unsicher brauchte ich nicht zu sein. ich wusste damals was sache ist. nur wenn menschen nett waren. das war gefährlich. denn welch schönes spiel, jemand aufzuhelfen – dann macht der verbale tritt zum erneuten sturz nur noch mehr spaß. also: zeige niemals wenn du stürzt. mach es dir besser gemütlich auf dem boden.

und da ist der haken: wenn der boden irgendwann „gemütlich“ wird, weil aufstehen zu weh tut. zu gefährlich ist. ich halte mich für eine kämpferin, aber in manchen momenten weiß ich doch, dass ich auf dem boden wenigstens nicht fallen kann. ich will aber nicht auf diesem doofen boden bleiben. also stehe ich auf. und ich stehe auf, obwohl das schöne das ganz gefährliche ist. das schöne, die schönen sozialen interaktionen, mühsam erlernt, die schönen interaktionen – das macht alles angst. es ist gefährlich. denn selbst wenn niemand hinterrücks mit dem messer zusticht, dann macht dieses schöne doch eins immer wieder: sichtbar, dass das gemütliche nicht gemütlich war, sondern dass dieser boden, dieser boden auf dem ich es mir so schön eingerichtet habe, dass dieser boden die hölle war. ich frage mich oft, warum gerade diese erkenntnis immer so weh tut, denn es ist doch vorbei, heute ist es doch vorbei. ist es der gedanke, dass es anders sein könnte? ist es der vergleich mit dem heute, der den horror von früher greifbarer, realer macht? was ist es, was es so schmerzvoll macht, es zu ertragen, wenn soziale gefüge endlich ein ort von zuneigung und solidarität werden, statt ein ort von angst, die gar nicht mehr wortbar ist?
ich habe in den letzten jahren geübt, übe immer wieder. lerne die regeln der interaktion, fühle mich nicht immer wie ein alien. manchmal wie ein cyborg, aber es ist okay ein cyborg zu sein. es ist auch okay ein selbstbild als cyborg in bojenform mit solarzellen auf dem kopf zu haben. ich hatte und habe dabei tolle menschen und cyborgs die mich unterstützt haben und unterstützen. wo das lernen von den regeln auch mal spaß macht – selbst wenn ich mal wieder chaotisch das alles nicht auf die reihe kriege, klappt das mit humor.
also warum, warum ist das immer noch so schwer zu ertragen wenn es so schön ist? und warum hebe ich mir diese gefühle der angst, des schmerzes und des hasses für den moment auf, in dem ich wieder alleine in meinem zimmer sitze, anstatt wenigstens einen kleinen teil auch mal zuzulassen und zu gucken, ob meine emotionen nicht doch manchmal platz haben. die emotionen, die zu den gesprächen passen würden, die ich teilweise hatte. die gespräche habe ich geführt, zuneigung verspürt, aber meine eigenen angstemotionen habe ich schön hier geparkt – so hat das nach hause kommen wenigstens was vertrautes.

es ist ein text ohne große wendung. es ist eine bestandsaufnahme. eine bestandsaufnahme von getrennten emotionen, der begeisterung über eine wundervolle erfahrung, die traurigkeit, trotzdem so vieles nur mit mir auszumachen, der schmerz darüber, dass das schöne fast unerträglich ist. ein kleiner ärger darüber, dass ich nicht mutig genug bin, meine emotionen alle zuzulassen, gleichzeitig mit dem wissen, dass das wohl zu viel gleichzeitig wäre. ein text, der nach worten sucht, worten für eine gewalt die viel zu leicht relativiert werden kann, worte für die schmerzhaften konsequenzen, aber auch worte für die unbekannte schönheit einer welt, in der ich ein materialisierter cyborg sein kann.

7 Gedanken zu „wenn die welt kopf steht

  1. spunk

    whuaaah…. ja.
    danke für den text.

    <3

    aus meiner erfahrung würde ich sagen, dass es sehr viel kraft kosten kann, diese gefühle (bewußt) mit auf veranstaltungen zu bringen, beides gleichzeitig wahrzunehmen. vielleicht ist es einfacher, das so zu trennen. irgendwie ist beides doof und autsch.

    ich wünsch dir noch viele so schöne erlebnisse und ein hineinwachsen in diese welt (die mensch ja auch immer wieder mit aufbauen und am leben halten muss, so dass sie größer und schönder wird je emrh menschen sich in ihr aufhalten).

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    1. Steinmädchen Artikelautorin

      <3 danke, ich freue mich ja immer sehr, dass du immer wieder hier was schreibst :)
      ich fühle mich gerade auch mutig genug, um in diese welt reinzuwachsen und neue linien zu schaffen und knoten und räume. und so.
      und worte suchen für die schönen momente.

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  2. luka

    ich glaube, dass gefühle ganz oft auch jenseits vom sagbaren liegen, also so kenne ich das von mir.
    also wenn da ein raum da wäre, jenseits meiner kleinen vier wände, wo ich sein könnte, dann gibt es keine worte für das was ich eigentlich gerne teilen würde. eigentlich bin ichkurz vorm platzen, erst recht in der gesellschaft von tollen menschen wo eine merkt “hej verdammt ich fühl mich hier wohl, wie gruselig” da gibts dann trotzdem keine worte, keine sagbarkeit. würde in solchen situationen mein persönliches bojenbild um einen riesigen neonpfeil überm kopf ergänzen der auf mich zeigt und blinkt, ja die ganze boje blinkt, aber ich glaub das seh nur ich…

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    1. Steinmädchen Artikelautorin

      ja auf jeden fall, das ist oft voll schwer mit den worten. und wo und wie teilen. und wie anfangen, das finde ich auch voll kompliziert.
      ich mag dein erweitertes bojenbild <3

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  3. Pingback: #Abgeschrieben – Kopfexplositionen bei Identitätskritik – SchwarzRund

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