Ein paar Abendgedanken zu homophoben Auseinandersetzungen in der Verwandtschaft und dem Umgang damit.
Die Sache mit dieser sexuellen Orientierung. #idpet hat da bei mir auch ganz schön was durcheinander gewürfelt. Manchmal fällt es mir schwer, mit der Welt wie sie ist umzugehen, weil alles in mir da einfach nur mit einem großen Fragezeichen sitzt. Wo ich sonst es als eine Stärke von mir bezeichnen würde, mich in die unterschiedlichsten Denksystem einzufinden, gelingt es mir gerade bei (religiöser) Homophobie nicht.
Ich weiß, dass das viele Freund_innen irritiert, dass ich mir diese ganze Herkunftsfamiliendiskussion mit dazu gebe, denn ich weiß um den Homohass von einigen. Ich habe diese Diskussion durch eine Mail mir und allen anderen in der Verwandtschaft aufgezwungen, weil ich nicht hinnehmen konnte und wollte, dass eine mir nahe Person diese Kackpetition unterschrieben hat. Ich weiß, dass viele das noch viel viel näher in ihrem Leben haben, nicht nur in einer Maildiskussion. Ich weiß, dass viele mit Menschen zu tun haben, die Homosexualität verwerflich finden. Nicht alle in einem religiösen Kontext. Der macht es nur oft noch schwerer nachvollziehbar was da eigentlich passiert. Weil die Logik so weit weg ist. Weil sie weit weg ist von meiner Logik. Weil ich keinen Glauben darüber setzen kann und mag, wenn Menschen Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt werden.
Für viele ist es völlig unverständlich, dass ich wirklich diskutiere. Vielleicht ist es ein bisschen wie im Internet mit Trollen diskutieren. Es ist vergeblich und kostet nur Energie. Solche Argumentationen verharmlosen aber auch die Macht der Institution Familie in unserer Gesellschaft. Klar, in meinem Alltag habe ich wenig damit zu tun, habe viele tolle Menschen um mich herum, fühle mich sicher, muss keine Angst vor diskriminierender Kackscheiße habe – und wenn, ist es möglich das anzusprechen oder eine Person eben aus meinem engen Kreis auszuschließen. Ich muss mir hier nicht alles geben.
Familie funktioniert anders.
Sicherlich hat das auch damit zu tun, in welchen Kontexten wir so aufwachsen, wie Familie auf uns wirkt. Aber es ist eine sehr machtvolle Institution. In Familien akzeptieren wir oft Dinge, die wir uns niemals anderswo gefallen lassen würden. Diskutieren wir Dinge, wo wir sonst einfach genervt gehen würden. Manche diskutieren nicht in ihren Familien, manchmal weil es nicht anders geht, manchmal weil es zu anstrengend ist, manchmal weil klar ist, dass es zu nichts führt und eine_r zum Glück immer schnell wieder weg ist.
Mir fällt das oft schwer, dass offensichtliche zu akzeptieren, hinzunehmen und ich habe mich zu diesem völlig aussichtslosen Unternehmen entschieden, mit Personen zu diskutieren, die Homosexualität für heilbar halten, einer die ihre Kinder vor der Verführung durch die Homo-Lobby schützen will. In der Hoffnung, dass offen ausgesprochen sich nochmal andere Umgangswege ergeben als Schweigen.
Meine eigene sexuelle Orientierung ist für mich noch nicht so lange klar. Ich habe gebraucht. Und dann immer eingefordert, dass das als Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Nicht bereit, zu akzeptieren, dass das für viele nicht so ist. Weil das in meinen Kopf nicht reinwill, der schaltet da irgendwie aus und sagt: Es ist völlig abgedreht.
„Wenn wir uns selbst ganz lieben, hören wir auf, Sklaven unzüchtiger Begierden zu sein. Unsere sexuellen Impulse werden wirklicher Teil unseres Seins statt Trieb und sie werden frei von neurotischer Verwirrung. Die Homosexualität verhindert es, daß wir in die Tiefe gehen, über die Oberflächlichkeit und egoistische Begierde hinaus.“
Ich meine, wer glaubt sowas? Wer zitiert solche Textpassagen und schreibt direkt daneben: Ich will nicht in einen Topf mit Diskriminierenden geworfen werden? Wie geht es zu schreiben: Ich habe nicht gegen das Ausleben von Homosexualität, aber das Ausleben ist Sünde und meine Kinder müssen vor dieser Gefahr geschützt werden? Ich will einfach gar nicht mehr von dem zitieren was so diskutiert wird, es ist einfach nur elendig und völlig unbegreiflich. Mein Kopf streikt an diesen Punkten.
Viele haben das schon vor Jahren durch und haben keine Lust sich immer wieder damit zu beschäftigen, das verstehe ich. Ich bin nicht an diesem Punkt. Ich bin jetzt an dem Punkt der Auseinandersetzung, eine Auseinandersetzung, die mich mehr mit nimmt als ich das wollte. Ich beschäftige mich jetzt nicht so oft mit Herkunftsfamilie. Manchmal fällt es mir schwer einzugestehen, dass ich mich mit vielen Gedanken und Auseinandersetzungen noch ganz am Anfang befinde, mein politisches Ich ist da wie so oft viel schneller als der ganze Rest.
Dieser Text ist nicht nur ein Text von Verletzungen die gerade passieren, sondern auch von vielen schönen Momenten. Teile meiner Herkunftsfamilie besser kennen lernen, wie meine Schwestern. Solidarität erfahren von Freundinnen. Es ist ein schöner Moment in einer Kneipe eine Mail vorzulesen die voller Homofeindlichkeit ist (Lesben werden trotzdem fast nie direkt angesprochen, obwohl das meine Ausgangspunkt war, ihr kennt das ja mit der Unsichtbarkeit) – mitten drin abzubrechen und zu sagen: Ich brauche Schnaps. Und dann trinken wir Schnaps. Ich danke sehr den Personen die in den letzten Wochen mit mir diskutiert und vor allem gewütet und gelacht haben. Viele haben ihre eigenen Geschichten zu erzählen, zu wütend, zu betrauern. Und wie schön, dann gemeinsam auf Homopartys, ja, auf Mainstreamschrecklichehomobzwschwulpartys, zu gehen und zu wissen, dass wir uns nicht klein kriegen lassen. Sondern festzustellen, dass es sich in Sünde verdammt schön lebt.
danke für deine[n] text[e]!
ich bin noch auf dem scheideweg, habe mich von einem teil meiner herkunftsfamilie endgültig getrennt und quäle mich mit den anderen … ein mächtiges konstrukt. ich brauche nicht lange überlegen, welche verhaltensweisen ich von anderen menschen, schon gar nicht von vertrauten, niemals erdulden würde… wie traurig und wütend mich der frühere umgang macht, wie ohnmächtig mich die internalisierten folgen, introjekte und trigger noch immer machen, wieviel arbeit es ist zu überleben, sich zu stellen, es anzunehmen und sogar wieder auf die menschen zu zugehen, geschweige denn zu diskutieren. ich habe es an stellen einfach aufgegeben, da hat es mich unbeschreiblich befreit und empowert… an den stellen wo ein [selbst]reflektion oder würdige diskussion nicht möglich ist.
so lange die auseinandersetzung für dich wichtig ist und gut, wünsche ich dir weiterhin die tollen unterstützer_innen an die seite und zur hand. ich versuche […] immer mehr zuzulassen, dass ich mich nur noch abarbeiten will, wenn es dabei um mich geht, wenn es mir ‘etwas bringt’ … aber es fällt mir schwer.
es macht so traurig diese realitäten zu erfahren/davon zu lesen. vor allem macht es mich wütend, was du erkämpfen musst um SEIN zu dürfen.
ein beeindruckender text, danke dafür!
meso
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Ach, so ein schöner Text mit solch einem schönen Schlusswort. Besten Dank!
Ich wünsche dir viel Kraft und Schnaps beim Aufmischen der Familie; und nicht nur der. Und werde aus der Ferne später ebenfalls einen Schnaps darauf trinken :-).
oh danke 🙂 prost!