Der Körper lügt nie

Sagt diese Frau, die bald meine neue Therapeutin sein könnte. Ich weiß, dass sie recht hat. Und trotzdem hasse ich sie ein bisschen dafür. Vielleicht wollte ich deshalb meinen Körper nie wahrnehmen. Weil ich einfach gar nicht hören will, was der so zu erzählen hat.

Ich habe im Dezember angefangen ab und zu Tweets zu schreiben. #steinmädchenentdecktkörper Ich fand es schwer. Und hatte schnell keine Lust mehr. Wenn dann stellte ich ja doch nur Schmerzen fest.

Und was habe ich davon? Jetzt plötzlich reagiert mein Körper total. Weil ich keinen anderen Ausdruck habe wohl. Ja noch nicht einmal Texte schreiben. Sprechen kann ich. Aber nur über die hard facts. Meine Gefühle sind da schwer drin. Das was in mir passiert. Also krampft mein Körper sich zusammen, der Magen spielt außer in feministischen Räumen völlig verrückt. Der Kopf schmerzt. Alle Glieder schmerzen. Sind verspannt.

Interpretieren wir doch mal: Überlastung und kapuuuutt. (ohne albern wird das wohl nie was.)

Klingt logisch. War nicht schwer. Die Frage ist nur:

Und nun?

Ich fange wohl (mal wieder) eine neue Therapie an.Trotz aller Kritik. Weil mir nichts anderes einfällt. In einem Tweet in den letzten Tagen schrieb ich, dass weniger Gewalt auch eine Alternative wäre zur nächsten Therapie. Leider kann ich mir das mal wieder nicht aussuchen. Die Gesellschaft ist so nicht strukturiert. Sieht das nicht vor. Was echt verrückt wäre, also günstiger wäre das auf jeden Fall. Aber würde vermutlich zumindest das Patriarchat auf den Kopf stellen. Wo kämen wir denn dann hin.

Kluge Worte. Und trotzdem ists kaputt da bei diese Hülle in der ich so rumleben muss. So richtig zerstört. Heute morgen dachte ich auf dem Weg zu dieser Therapeutin: Ups, es würde mich nicht wundern, wenn ich gleich in den Schnee kippe. Und dachte auch, dass ich es nicht so richtig schlimm fände.

In mir drin toben Kämpfe. Und was für welche. „Lüge, Lüge!“ und „Sei endlich still“ und „Du bist so lächerlich“ treffen gegen die Stimmen die sagen, ALTA, schau endlich hin, dein Körper verhält sich nicht aus Spaß so. Da ist die Stimme dabei die sagt, dass das doch nur internalisierter Sexismus ist, dass das meine Rolle ist, dass ich mich nicht ernst nehmen darf. Auf der anderen Seite ist aber auch eine sehr wütende Stimme die mich so sehr hasst wenn ich sowas sage. Und mir weh tun will. Sehr weh tun.

Und mal wieder ist der Körper das Schlachtfeld. Diesmal ist es kein Messer. Nahrungsverweigerung auf der einen Seite. Ein Körper der vor Schmerzen zusammenklappt und mir sagt, fuckin hell, so geht das nicht weiter, auf der andere Seite. Und je mehr ich hin höre, desto mehr verweigere ich die Nahrungsaufnahme. Geht nicht. Bis ich umkippe. Bis der Körper versagt, weil ich anders nicht hinhören kann.

Es nicht schaffe ernst zu nehmen, was da gerade in meinem Leben passiert_e. Wie tief das eigentlich greift. Und was das lostritt. Vielleicht fällt mir gerade einfach nichts anderes ein außer umzukippen. Ich versuche das zu verhindern. Ich will keine_r_m wehtun. Ich schreie mich an: Iss verdammt, iss endlich was! Iss endlich mal wieder mehr als eine Mahlzeit am Tag wie seit langem. Oder mehr als ein einzelnes Brötchen in den letzten Tagen. Iss! Und gleichzeitig kriege ich den Mund nicht auf. Kann nicht mehr.

Und während ich den Tag im Bett liege weil die Kraft zum Bewegen fehlt, ich vor Schmerzen nachts und tags laut schreie, mir schwarz vor Augen wird, sage ich mir immer noch, ich solle mich nicht so anstellen. Es ist ja wieder mal nichts passiert. Ich verspüre so viel Hass in mir weil ich mich nicht zusammenreiße, weil ich selbst auf einen Abgrund zusteuer, also habe ich das doch verdient. Weil verdammt, sooo schlimm ist das doch auch alles nicht. Du willst dich nur wichtig machen.

Und dann kommt diese Frau und sagt: Der Körper lügt nie.

Jetzt würde ich sehr gerne eine Runde heulen gehen.

Oder endlich mal richtig aufs Patriarchat einschlagen. Das wäre auch eine Alternative. Ungefähr wie die Alternative zwischen Therapie und weniger Gewalt im Leben. Wunschdenken. Und gerade etwas zu anstrengend.

 

Mal schauen, wie das so weiter geht.

Hat was Düster-Faszinierendes.

8 Gedanken zu „Der Körper lügt nie

  1. Elaria

    Ich finde es sehr mutig und richtig das du darüber sprichst. Ich kenne ebenfalls Situationen die ich nicht ändern konnte (wollte), bis mein Körper mir gesagt hat Stopp. Bevor ich das begriffen hatte, habe ich eine Riesen-Ärzte-Tour gemacht. Ich hatte überall Schmerzen ohne erkennbare Ursache, alles Medizinische wurde gecheckt, (Nervenleiter, Bauchspiegelung, CT etc.) ohne Ergebnis. Dann habe ich angefangen zu anlaysieren in welchen Situationen die Schmerzen anfangen und schließlich radikale Entscheidungen getroffen. Berufswechsel, Freundschaften abgebrochen, sehr offen mit meiner Familie gesprochen und Grenzen gesetzt. Das war ein schwieriger und langer Prozess. Dann wurde es langsam besser. Ich kämpfe immer noch gegen die eigene innere Anspruchshaltung und den oft negativen Einfluss von außen. Das sollen keine Vorschläge oder Relationen zu deiner Geschichte sein ( die ich ja gar nicht explizit kenne). Das ist nur meine Geschichte. Ich wünsche dir Mut und viel Kraft.

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  2. silver chair

    Eine der beschissensten Waffen des Patriarchats ist ja, dass frau* ihre Kämpfe nach innen verlagert. So zerstört sich das Dysfunktionale von selbst und die Ordnung bleibt erhalten.
    Ich wünsche dir und deinem Körper eine künftig bessere Kooperation. Die Welt braucht Steinmädchen.

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  3. a light sneeze

    Ich erwähnte schon, dass ich mich darin wiederfinde…aber es fällt so schwer in Worte zu fassen, WIE sehr. Manchmal habe ich ein Gefühl beim Lesen, als habest du Gedanken aus meinem Kopf gezogen, gescheit ausformuliert und hierhin gepostet.

    Diese systemimmanente Autoaggression, dies Therapiedilemma mit Wahrheiten, dies Körperding im Allgemeinen und im Speziellen, dies Ich-sollte-mich-nicht-so-anstellen, dies gut sein wollen, aber nicht können…

    Danke für deinen Mut.

    PS @silver chair: WORD.

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  5. Isabell

    Dieses geradezu körperliche Gefühl, diesen beinahe unaussprechlichen Hass auf die eigenen Lähmung, dieses unerträgliche Gefühl, diese Wut auf sich selbst: All das kenn ich.

    Ich kenne aber auch die Freude darüber, wenn die Last etwas abnimmt, wenn wieder ein paar Dinge bei mir funktionieren, an denen mir liegt, wenn ich wieder ein wenig stolz auf mich sein kann. Noch bin ich mitten in einer Reise und ich weiß nicht, welche neuen Orte und Situationen ich noch sehen werde. Aber es bewegt sich etwas. Ich entwickele sogar etwas Gelassenheit, etwas, das mir früher völlig fremd war.

    Ich wünsche dir schöne neue Ufer, und möglichst viel Wohlbefinden, Steinmädchen!

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  6. ka

    hmn, ich hab das ganze verlagert auf substanzen die ich jetzt täglich einnehmen muss (sonst entzug) und vom arzt bekomme. das ganze ist zumindest gesünder für meinen körper-keine neuen löcher, kein ständiges umkippen vor hunger. aber die lösung ists halt auch nicht, nur die momentan am wenigsten schlimme alternative.

    sfz.

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  7. alba

    ich bin zugleich froh und sehr, sehr wütend und erschüttert, dass es so vielen so geht. zuerst habe ich mich in deinem Text “nur” sehr exakt wiedergefunden, dann aber die kommentare gelesen- und bemerkt, dass ich da bei weitem nicht die einzige oder auch nur eine von wenigen bin.
    sauer. oder eher: bitter?
    dagegen angehen, keine kompromisse auf eigene kosten machen… führt zu weiteren/anderen/neuen beschwerden, schmerzen, problemen. aber vielleicht macht es die sache trotdzem ein bisschen besser, wenn viele einzelne zeigen: so geht es nicht. die misstände eines systems dürfen sich nicht in/auf/an meinem körper abspielen.

    ich wünsche dir, dass du einen weg findest. der für dich gut ist. und die kraft, ihn zu gehn.

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  8. Pingback: Alltägliche Übergriffe und Traumabearbeitung | wunder2welt

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